GraphCMS: Halb in Gießen, halb auf der ganzen Welt
Sie haben Remote gearbeitet, bevor es cool war: GraphCMS aus Gießen wurde 2017 gegründet, die Hälfte der 26 Mitarbeiter ist über die Welt verteilt. Die innovative CMS-Plattform aus Gießen hat heute über 30.000 Nutzer:innen – und setzt seit der Gründung auf Remote. Wir haben mit Mitgründer Michael Lukaszczyk über diesen dezentralen Ansatz, die Möglichkeiten von Software und den Traum Selbständigkeit gesprochen.
Überall hieße es, es sei so schwer, Entwickler:innen zu finden, sagt Lukaszczyk, aber „wenn man eine remote-friendly culture etabliert, ist das ganz einfach“. Deswegen seien unter anderem auch ehemalige Entwickler von Google und Youtube jetzt bei GraphCMS. „Letztens hatten wir für einen Job sogar über 400 Bewerbungen“, erzählt Lukaszczyk weiter. Graph CMS sei es dabei egal, wo das Personal herkommt – Hauptsache das Know-How stimmt. Das junge Startup sucht dabei vor allem in der eigenen Community, zum Beispiel in einem Slack-Channel mit gut 5000 Mitgliedern. Und manchmal findet man sogar Personal ganz in der Nähe: „Unser erster Mitarbeiter Jonas, der hat uns eines Tages angeschrieben und um ein Feature gebeten. Wir kamen ins Gespräch und er hat gefragt, wo wir sitzen. Als wir dann gesagt haben, dass in Gießen sind, hat er nur geschrieben ‚Are you kidding me? I`m from Dutenhofen, that’s near Gießen!“.
“Wer einmal mit GraphQL gearbeitet hat, will nicht mehr wechseln”
GraphCMS bietet ein Content-Management-System (CMS), das gleichzeitig auch als Datenbank genutzt wird. Mithilfe einer Programmierschnittstelle können Firmen ihren Inhalt von GraphCMS aus auf allen erdenklichen Wegen ausspielen. Und das macht es so wertvoll im Gegensatz zu herkömmlichen CMS wie WordPress, die an die Website, auf der sie ausspielen, gebunden sind. Die Datenbank soll dabei immer erhalten bleiben und als Schnittstelle dienen, auch wenn neue Ausspielwege dazu kommen. Möglich macht das die sogenannte GraphQL-Abfragesprache, die initial von Facebook entwickelt wurde – GraphCMS ist das erste CMS, das auf dieser Technologie aufbaut. „Wer einmal mit dieser Sprache gearbeitet hat, will nicht mehr wechseln“, schwärmt Lukaszczyk.
Seit seiner Gründung 2017 musste GraphCMS seine gesamte Plattformarchitektur drei Mal umbauen. „Das ist natürlich erst einmal frustrierend, wenn du merkst, dass du etwas nicht bedacht hast und es deswegen noch einmal komplett umbauen musst“, sagt Lukaszczyk. Im Juni vergangenen Jahres war die letzte „Ehrenrunde“, wie er es bezeichnet: „Ich glaube, wenn man an die Spitze will, dann muss man das machen, weil sonst hat man immer nur halbgare Lösungen“. GraphCMS entwickelt aber natürlich weiter: Ein Mix aus Kund:innenfeedback und eigenen Ideen lässt die Plattform weiter wachsen.
Gründung war lange gehegter Traum
Die Idee zu dem Startup kam Lukaszczyk, als er einen Tweet zum Thema „Headless CMS“ gesehen hat. Also ein CMS, das nicht mehr nur an einen Ausspielweg gekoppelt ist. „Ich habe gedacht: Das ist super und geht mit der GraphQL noch besser – so enstand der Name GraphCMS.“ Kurzerhand hat er seinen Freund und damaligen Kollegen Daniel Winter angesprochen. Auch der war schnell begeistert – die beiden haben noch am gleichen Tag die Domain gesichert und das Startup gegründet. Mittlerweile haben sie zwei Investitionsrunden hinter sich, und neben mehreren Business Angels auch Paua Ventures aus Berlin und Peak Capital aus Amsterdam hinter sich.
Selbstständig zu sein, war schon immer ein Ziel von Lukaszczyk. Mit elf Jahren hat er angefangen programmieren zu lernen. Erst HTML, dann kleinere Levels für Computerspiele. „Ich war so ein Zockerkind, aber habe mich auch immer für die Produktion von Inhalten interessiert“, sagt Lukaszczyk. Es habe ihn fasziniert, dass Software damals schon die Welt eroberte. Und der Gedanke, etwas quasi von der Couch programmieren zu können, was im nächsten Moment Menschen auf der anderen Seite der Erde hilft, fasziniere ihn noch heute: „Ich wollte schon immer etwas machen, das Leute weiterbringt“.
“Wir dachten, dass vieles schneller geht”
Heute programmiert Lukaszczyk weniger, sondern kümmert sich mehr um die Business-Seite. Growth, Kennzahlen, Vertrieb, all das sind Dinge, mit denen er sich heute auseinandersetzt. Als sie 2017 gründeten, hätten sie gedacht, dass vieles schneller ginge: „Wir dachten, der Vertrieb kommt von allein. Das war ein Fehler“. Ein Jahr später haben sie den ersten Angestellten dafür angeworben, 2019 ein Office in Berlin geöffnet, das sich um Vertrieb und Marketing kümmert.
Gießen bleibt Heimat von GraphCMS
Gießen bleibe aber das Herz von GraphCMS, dort sitzt die Produktentwicklung. Der Standort sei viel besser als sein Ruf, sagt Lukaszczyk. Es gebe viele Initiativen wie das Regionalmanagement Mittelhessen und Veranstaltungen wie das Startup Weekend, die Gründer:innen zusammenbringen. „Es ist unheimlich wichtig, sich mit anderen Gründer:innen und Expert:innen auszutauschen. So kann man ganz viele Fehler einfach vermeiden“, sagt Lukaszczyk. Einzig das Risikoinvestment sei in der Region immer noch recht gering, Städte wie Berlin einfach einen Schritt weiter.
Für die beiden Gründer ist Gießen auch persönlich ein guter Standort: Daniel Winter lebt dort mit seiner Familie, Lukaszczyk in der Nähe auf dem Land. Die Ruhe tue ihm gut, Städte wie Berlin seien ihm zu beengt. In seiner Freizeit geht er deswegen oft Spazieren und Wandern, auch wenn GraphCMS an erster Stelle bleibe: „Bei vielen Freizeitaktivitäten denke ich mir: Ich könnte gerade an unserem Produkt arbeiten. Das ist für mich wirklich eine All-In-Geschichte“.
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